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Ängstlichkeit wird nicht im Angstzentrum des Gehirns überwunden
![]() Fotocredit: Getty Images/iStockphoto |
WissenschafterInnen vom Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien (www.meduniwien.ac.at) sind der Verarbeitung von Ängstlichkeit und generell dem Informationsfluss im Gehirn auf der Spur: In einer nun im Top-Magazin "Science" veröffentlichten Studie konnte das Team von der Abteilung für Kognitive Neurobiologie rund um Stephane Ciocchi und Thomas Klausberger zeigen, wie Ängstlichkeit von den Nervenzellen des Hippocampus kodiert wird und dass diese Informationen nicht direkt an das eigentliche Angstzentrum des Gehirns, sondern zum präfrontalen Cortex, dem Kontrollzentrum des Gehirns, zur Weiterverarbeitung und Entscheidungsfindung geleitet werden. |
Generell werden Informationen über Gedächtnis und Emotionen vom Hippocampus, der Schaltstelle im limbischen System des Gehirns, an viele andere Gehirnregionen "versendet", damit sie dort weiter verarbeitet werden. Das kann, so die ForscherInnen, auf zweierlei Art passieren: "Wie ein Radiosender, der sein Programm ausstrahlt und jeder nimmt sich, was ihn interessiert, oder wie die Post, mit fix zugewiesenen Adressaten für verschiedene Informationen", erklärt Klausberger, Leiter der Abteilung für Kognitive Neurobiologie.
Anhand der Funktionen "Gedächtnis", "zielgerichtetes Verhalten" und "Ängstlichkeit" untersuchten die WissenschafterInnen der MedUni Wien den Informationsfluss. Sie konnten zeigen, dass dieser beim Gedächtnis breit gestreut ist, was daran liegen könnte, dass mehrere Gehirn-Areale dabei beteiligt sind. Aber im Fall von zielgerichtetem Verhalten und Ängstlichkeit sortiert der Hippocampus die Information und schickt sie mit Hilfe von unterschiedlichen Nervenzellen ganz gezielt an jene Zentren im Gehirn, die dafür spezialisiert und verantwortlich sind.
Ursache und Verarbeitung von Ängstlichkeit
Gleichzeitig wurde aber auch entdeckt, dass Ängstlichkeit
von bestimmten Nervenzellen im Hippocampus kodiert und bevorzugt
an ein Areal weitergeleitet wird, das bisher weniger damit in
Verbindung gebracht wurde: Der Hippocampus leitet bei Ängstlichkeit
die Informationen nicht an die Amygdala-Region des Gehirns,
wo normalerweise Angstgefühle verarbeitet werden, sondern
an den präfrontalen Cortex, wo eigentlich die Entscheidungen
getroffen werden. Klausberger: "Wenn man etwa auf einen
sehr hoch gelegenen ‚Skywalk‘ im Gebirge hinausgeht,
ist man ängstlich und weiß nicht, ob man hinausgehen
soll. Um den Ausblick zu haben, muss die Neugierde gewinnen
und die Ängstlichkeit überwunden werden. Die Entscheidung,
ob man neugierig hinausgehen oder eher in Sicherheit bleiben
soll, wird im präfrontalen Cortex getroffen." Klausberger:
"Das beantwortet eine ganz generelle Frage der Neurobiologie,
nämlich wie das Gefühl der Ängstlichkeit im Gehirn
dargestellt und verarbeitet wird."
Dabei darf die Emotion der Ängstlichkeit nicht mit akuter Angst, etwa bei einer überraschenden Begegnung mit einer Klapperschlange in freier Wildbahn, oft begleitet mit dem "Freezing"-Effekt, verwechselt werden.
Analysiert wurde der Informationsfluss der Neuronen im Hippocampus im Tiermodell mit Hilfe einer opto-genetischen und elektrophysiologischen Untersuchungsmethode, die über Lichtreize funktioniert.
Fünf Forschungscluster an der MedUni Wien
Insgesamt sind fünf Forschungscluster der MedUni Wien etabliert.
Dort werden in der Grundlagen- wie in der klinischen Forschung
vermehrt Schwerpunkte an der MedUni Wien gesetzt. Die Forschungscluster
umfassen medizinische Bildgebung, Krebsforschung/Onkologie,
kardiovaskuläre Medizin, medizinische Neurowissenschaften
und Immunologie. Die vorliegende Arbeit fällt inhaltlich
in den Themenbereich des Clusters für medizinische Neurowissenschaften.
1.Mai 2015
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