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APA-Science Event: Großforschung - Manches kann nicht im Kleinen beantwortet werden
APA-Science veranstaltete Diskussion zum Thema "Big Science - Wie gut kann Österreich Großforschung"– Heimische Beteiligung an Projekten von Ephesos-Ausgrabungen bis zur Rosetta-MissionWien (OTS) Wenn am kommenden Mittwoch (12. November) die "Rosetta"-Mission der europäischen Raumfahrtbehörde ESA den ersten Versuch einer Landung auf einem Kometen wagt, ist das ein Produkt von Forschung im großen Stil - eben "Big Science". Will man visionäre Projekte angehen, brauche es oft große Strukturen, in denen auch kleine Länder ihren Platz haben, so der Tenor des diesjährigen APA-Science Events in Wien.
Hypothesen darüber, wie es auf einem Kometen aussieht, könnten auch einzelne Wissenschafter sozusagen im stillen Kämmerlein aufstellen. Zum "Nachsehen" brauche es aber die Zusammenarbeit vieler Forscher und den Einsatz großer Ressourcen, was natürlich "nicht ganz billig" sei. Das erklärte Wolfgang Baumjohann, Direktor des Instituts für Weltraumforschung IWF der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), bei einer von APA-Science, der Wissenschaftsplattform der APA - Austria Presse Agentur, veranstalteten Podiumsdiskussion zum Thema "Big Science - Wie gut kann Österreich Großforschung?" am 6. November.
Baumjohann und seine Kollegen sind an der insgesamt etwa 1,3 Mrd. Euro teuren
"Rosetta"-Mission beteiligt. Wie umfangreich ein solches
Vorhaben ist, zeigt sich auch anhand seiner Dauer und am Umfang:
Der Projektstart erfolgte schon vor etwa 20 Jahren, und bis
dato zählt man um die 1.000 beteiligte Wissenschafter und
Techniker. Über die Verhältnismäßigkeit
von Aufwänden für solche "Generationenprojekte"
könne man diskutieren. "Die Menschen sind aber bereit,
für solche Forschung etwas auszugeben, weil es sie interessiert",
zeigte sich Baumjohann überzeugt.
Nachhaltig andocken
Institutionen wie das Europäische Kernforschungszentrum
CERN brauchen einfach viele Ressourcen, betonte auch der Vorsitzende
des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT),
Hannes Androsch, in seinem Impulsreferat. Beteiligung an Großforschung
bringe die Möglichkeit, nachhaltig an der internationalen
wissenschaftlichen Community anzudocken. In solchen Vorhaben
sei ein besonderer Forschungsgeist spürbar, von dem kleinere
Länder profitieren. Vor diesem Hintergrund plädierte
Androsch einmal mehr dafür, die seit einigen Jahren "anhaltende
Stagnation" im Wissenschaft- und Bildungsbereich in Österreich
endlich zu überwinden. Er habe mittlerweile aber den Eindruck,
dass dieser Appell bei der Politik meist ungehört bleibt.
Es fühle sich manchmal an, wie "preaching to the derrisch",
so der RFT-Chef.
Dass sich unsere Gesellschaft so etwas wie das CERN überhaupt leistet,
erfüllt den Chef des eng mit dem Kernforschungszentrum
verbundenen Instituts für Hochenergiephysik (HEPHY) der
ÖAW, Jochen Schieck, mit Stolz. Angesichts des ebenso stolzen
Jahresbudgets von ungefähr einer Milliarde Euro, wird auch
an die Betreiber der größten Maschine der Welt immer
wieder die Frage der Verhältnismäßig- und Sinnhaftigkeit
gestellt. Auch hier gelte: Dem Ursprung der Materie kann man
nicht anders auf den Grund gehen. Will man darüber mehr
wissen, brauche es einfach solche Strukturen. "Die Entdeckung
des Higgs-Teilchens gibt uns auch irgendwie Recht", betonte
Schieck.
Langer Weg bis zur Anwendung
Wo Österreich an solchen Großprojekten beteiligt ist, zeige sich, "dass wir Großforschung sehr, sehr gut können", erklärte der im Wissenschaftsministerium u.a. für Großforschungseinrichtungen federführend zuständige Beamte Daniel Weselka in Anlehnung an den Titel der Veranstaltung. Der Nutzen von "Big Science" sei jedoch nicht immer einfach zu kommunizieren. Auf lange Sicht verändere der Pioniergeist der Grundlagenforschung aber die gesamte Gesellschaft und spiele eine wichtige Rolle dabei, junge Menschen für Forschung zu begeistern und zum Studieren zu motivieren. Klar sei, dass konkrete Anwendungen mancher Erkenntnisse oft lange brauchen, um im Alltag anzukommen. Bis aus Erkenntnissen der Quantenphysik Arbeitsplätze wurden, habe es 50 bis 60 Jahre gedauert, führte Weselka ins Treffen.
Langen Atem brauchen auch die Projektverantwortlichen des "Human Brain
Project" (HBP) - einem der höchst dotierten und ambitioniertesten
europäischen Forschungsprojekte. Der Leiter der Abteilung
Experimentelle Psychiatrie an der Medizinischen Universität
Innsbruck, Alois Saria, ist einer jener Forscher, die sich das
Ziel gesetzt haben, in den kommenden zehn Jahren mehr oder weniger
das gesamte Wissen über die Abläufe im menschlichen
Gehirn in eine Computersimulation zu packen. Dazu müssen
112 beteiligte Institutionen koordiniert, viele wissenschaftliche
Interessen berücksichtigt und der Einsatz von Fördermitteln
in der Höhe von bis zu einer Milliarde Euro organisiert
werden. Ein solches Projekt brauche Visionäre und könne
logischerweise nicht in kleinem Rahmen durchgeführt werden.
"Big Dig" in Ephesos
Das gilt auch für die seit 1895 stattfindenden österreichischen Grabungen in Ephesos, erklärte die Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI), Sabine Ladstätter. Bei diesem "Big Dig" in der Türkei handelt es sich schon lange nicht mehr um ein rein österreichisches Unterfangen, beteiligen sich doch mittlerweile alljährlich um die 250 Wissenschafter aus 18 bis 20 Ländern. Auch in der Archäologie gelte: Großartige Hypothesen können auch von Einzelforschern oder kleinen wissenschaftlichen Unternehmungen ausgehen, "Ephesos kann man aber nicht alleine ausgraben", betonte Ladstätter. Die Zukunft gehöre vermutlich zu einem großen Teil solchen interdisziplinären Teams an der Schnittstelle zwischen Geistes- und Naturwissenschaften, erklärte die Wissenschafterin des Jahres 2011.