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Händehygiene rettet Leben
200. Geburtstag von Ignaz Semmelweis - "Wäre heute sicher ein Favorit für einen Nobelpreis"
Am 1. Juli 2018 jährt sich der Geburtstag von Ignaz Semmelweis zum 200. Mal. Am heutigen Donnerstag veranstalteten MedUni Wien, AKH Wien und der in Wien ansässige Semmelweis Verein zu Ehren des Wiener Chirurgen und Geburtshelfers, Begründers der evidenzbasierten Medizin und des "Erfinders" der Händehygiene ein Fachsymposium. Zuvor betonten die ExpertInnen bei einer Pressekonferenz beim restaurierten Semmelweis-Denkmal auf dem Medizinischen Universitätscampus AKH Wien die große Bedeutung des zu Lebzeiten verkannten Pioniers der Hygiene in der Medizin für den medizinischen Fortschritt. "Händehygiene rettet jeden Tag viele Menschenleben", betonten die Experten von MedUni Wien, AKH Wien und vom Semmelweis Verein.
"Wir nutzen heute die exzellente Gelegenheit, eine Ikone der modernen Medizin zu würdigen. Ignaz Semmelweis war einer der wichtigsten Mediziner seiner Zeit und ein großer Kämpfer für den medizinischen Fortschritt. Viele PatientInnen verdanken ihm sehr viel, die Medizin an sich verdankt ihm sehr viel. Würde er jetzt leben, wäre er sicher ein Favorit für einen Nobelpreis. Leider wurden seine großen Errungenschaften erst nach seinem Tod mit nur 47 Jahren gewürdigt", unterstrich Markus Müller, Rektor der MedUni Wien, die Bedeutung Ignaz Semmelweis.
"Ignaz Semmelweis hat sich aufgrund seiner Beobachtungen und Erkenntnisse dafür eingesetzt, dass erstmals auf Händehygiene im Krankenhausalltag geachtet wurde. Heute wissen wir um die enorme Bedeutung richtiger Händehygiene, zum Schutz der uns anvertrauten PatientInnen und unserer MitarbeiterInnen. Die Statue von Ignaz Semmelweis soll uns daran erinnern, dass eine sichere Behandlung, durch konsequente Händehygiene, am persönlichen Einsatz jeder und jedes Einzelnen, liegt", betont Sabine Wolf, Direktorin des Pflegedienstes des AKH Wien.
Die Entdeckung der Händehygiene
Semmelweis hatte Mitte des 19. Jahrhunderts erkannt, dass es
an Geburtshilfe-Stationen, in denen die Patientinnen von geistlichen
Schwestern und Hebammen betreut wurden, eine weitaus niedrigere
Mortalität gab, als an Stationen, in denen Ärzte und
Studierende arbeiteten, die auch Leichensektionen durchführten.
"Damals gab es eine enorme Diskrepanz zwischen 8,2 Prozent
und 1 bis 2 Prozent Sterblichkeit", sagt Elisabeth Presterl,
Leiterin der Universitätsklinik für Krankenhaushygiene
und Infektionskontrolle von MedUni Wien und AKH Wien.
Semmelweis fand heraus, dass die Übertragung von infektiösem
Material (Bakterien waren damals noch nicht bekannt) die Ursache
der Infektionen und der damit verbundenen Sterblichkeit war.
Er veranlasste die Mediziner und Studierenden dazu, sich vor
einer Entbindung bzw. der Untersuchung von schwangeren Frauen
die Hände gründlich mit einer Chlorlösung und
später mit Chlorkalk zu desinfizieren. Diese Hygiene-Maßnahme
war höchst wirkungsvoll - die Sterblichkeit sank auf 1,3
Prozent. Später verschärfte Semmelweis seine Vorschriften
dahingehend, dass die Hände vor jeder Untersuchung zu desinfizieren
seien, wodurch er in manchen Monaten keinen einzigen Todesfall
mehr hatte.
Händehygiene wirkt sofort und rettet Millionen Menschenleben
Heute weiß man: Optimale Händehygiene senkt die
Infektionsrate um bis zu 30 Prozent – und das mit einer
einfachen und sehr kurzen Tätigkeit: "Händehygiene
ist simpel, effektiv und dauert weniger als 30 Sekunden, kann
aber viele Leben retten", betont Presterl. "Durch
die steigende Zahl von multi-resistenten Krankheitserregern
muss immer wieder an die Wichtigkeit der Prävention einer
Übertragung von Infektionen und deren Erregern erinnert
werden." Internationale Studien haben gezeigt, dass schon
bei einem Anstieg der Händedesinfektionsrate von 48 Prozent
auf 66 Prozent eine Reduktion der Infektionen von 17 auf zehn
Prozent erfolgt. Europaweit liegt die Compliance derzeit bei
rund 50 Prozent.
"Die Förderung der Handhygiene kann durch die Implementierung
eines angemessenen multimodalen Ansatzes, der die Verwendung
von alkoholbasiertem Händedesinfektionsmittel als wichtigem
Systemwechsel mit einschließt, weltweit bis zu 8 Millionen
Leben pro Jahr retten", betonte Didier Pittet, Leiter der
Abteilung für Krankenhaushygiene an den Genfer Universitätskliniken
und externer Leiter des WHO-Programms "Clean Care is Safer
Care". Er ist auch einer der wichtigsten "Händehygiene-Botschafter"
weltweit und hat die "5 Momente der Händehygiene in
Krankenhäusern" mitentwickelt, eine weltweite Richtlinie
für die richtige Handdesinfektion.
Noch mehr Ressourcen für Händehygiene nötig
Die aktuellen Zahlen der Prävalenz-Untersuchung der Händehygiene
in Europa zeigen, dass das AKH Wien und die dort beschäftigten
ÄrztInnen bei der Compliance europaweit mittlerweile deutlich
über dem internationalen Schnitt liegen. "Wir haben
uns auf ein gutes Niveau verbessert", so Presterl. Hundertprozentige
Händehygiene gebe es aber aus verschiedensten Gründen
(noch) nicht, zum einen sei Händehygiene bis vor kurzem
noch "in Vergessenheit geraten", erst vor wenigen
Jahren wurde ihr in der Medizin wieder mehr Beachtung geschenkt,
dazu kommen multiresistente Erreger (MRE), die vor allem bei
schwer kranken PatientInnen auftreten - etwa in der Intensivmedizin.
Presterl: "Durch die moderne Medizin werden Patienten mit wesentlich schwierigeren Krankheiten intensivmedizinisch und mit invasiven Maßnahmen betreut. Bei einer Besiedelung mit MRE kann es dadurch leichter zu einer Infektion kommen." Und drittens müsse hygienisches Verhalten auch trainiert werden. Im medizinischen Curriculum der Universität Wien und der MedUni Wien wird seit 1995 die Händehygiene im Rahmen von Seminaren gelehrt. "Dadurch wird eine neue Generation an ÄrztInnen mit perfekter Händehygiene-Technik und noch mehr Awareness für Händehygiene ausgebildet." Wichtig seien hier auch Vorbilder, die in der täglichen Arbeit Händehygiene vorleben. Im AKH Wien fand dementsprechend anlässlich des Welttags der Händehygiene am 5. Mai zusammen mit Vertretern der ärztlichen Direktion und Vertretern der MedUni Wien eine Händehygiene-Staffel nach dem 5-Momente-Modell von Didier Pittet statt.
"Heute sind wir im Vergleich zu Semmelweis‘ Zeiten
mit wesentlich gefährlicheren Keimen konfrontiert, die
vor allem durch falschen und zu leichtfertigen Gebrauch von
Antibiotika entstehen. Diese multiresistenten Keime sind im
täglichen Leben zwar nur bedingt ein Problem, aber gerade
in Spitälern und Gesundheitseinrichtungen können sie
für ohnehin schon geschwächte und damit leicht angreifbare
PatientInnen zur Lebensbedrohung werden. Darum müssen wir
uns dieses Thema immer wieder ins Bewusstsein rufen und die
politischen Entscheidungsträger im Gesundheitswesen dazu
ermutigen, ausreichend Ressourcen für die Krankenhaushygiene
zur Verfügung zu stellen und alle Initiativen, die Antibiotikaresistenzen
reduzieren, zu unterstützen", betonte Bernhard Küenburg,
Gründer des Semmelweis-Vereins.
Österreich ist eines der wenigen europäischen Länder,
die die Krankenhaushygiene im Bundesgesetz über Krankenanstalten
und Kuranstalten festgeschrieben haben.
Medizinische Universität Wien - Kurzprofil
Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist
eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und
Forschungsstätten Europas. Mit rund 8.000 Studierenden
ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte
im deutschsprachigen Raum. Mit 5.500 MitarbeiterInnen, 26 Universitätskliniken
und drei klinischen Instituten, 12 medizintheoretischen Zentren
und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt
sie auch zu den bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen
Europas im biomedizinischen Bereich.
AKH Wien - Kurzprofil
Am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien - Medizinischer Universitätscampus
- werden jährlich rund 100.000 Patientinnen und Patienten
stationär betreut. Die Ambulanzen und Spezialambulanzen
des AKH Wien werden zusätzlich etwa 1,1 Mio. Mal frequentiert.
Gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten der MedUni
Wien stehen für die Betreuung unserer PatientInnen rund
3.000 Krankenpflegepersonen, über 1.000 Angehörige
der medizinischen, therapeutischen und diagnostischen Gesundheitsberufe
und viele weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verschiedensten
Berufsgruppen zur Verfügung.
Semmelweis Verein - Kurzprofil
Der Semmelweis Verein wurde 2012 in Wien gegründet und
ist mittlerweile über die Grenzen hinweg tätig, um
relevante Gesundheitsthemen in der EU zu behandeln. Der Verein
ist nach dem ungarischen Arzt Ignaz Semmelweis benannt. Der
Vereinszweck besteht darin, die Öffentlichkeit insbesondere
über Risiken und Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionskrankheiten,
aber auch über sonstige Gesundheitsrisiken, die durch bewusste
Verhaltensänderung gesenkt werden könnten, zu informieren
und Fachkonferenzen zur Fortbildung zu organisieren.
01.07.2018
LINK
www.meduniwien.ac.at
www.akhwien.at
www.semmelweis.info
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