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Justizausschuss verabschiedet Reform der Sachwalterschaft

2. Erwachsenenschutz-Gesetz will Selbstbestimmung vertretungsbedürftiger Personen fördern

Wien (OTS/PK) - Die gerichtliche Fürsorge für Menschen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung nicht mehr in der Lage sind, ihre Angelegenheiten selbst wahrzunehmen, soll neu geregelt werden.

Leitgedanke eines am 14.März 2017 vom Justizausschuss verabschiedeten 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes ist dabei die Förderung der Autonomie von vertretungsbedürftigen Personen. Zu diesem Zweck werden die Vertretungsmodelle ausgebaut und Alternativen zur bisherigen Sachwalterschaft angeboten, wobei die betroffenen Menschen, soweit dies möglich ist, selbst über ihre rechtlichen Beziehungen bestimmen sollen.

Während über die Kernpunkte der Vorlage weitgehend Konsens bestand, sorgte die vorgesehene Finanzierung für heftige Kritik seitens der Grünen, die die budgetäre Bedeckung für unzureichend hielten und als einzige Fraktion gegen die Reform stimmten. Justizminister Wolfgang Brandstetter kündigte hingegen an, zur Finanzierung auf Rücklagen seines Ressorts zurückzugreifen. Darüber hinaus würden die finanziellen Auswirkungen nach drei Jahren einer Evaluierung unterzogen, auch gebe es laufend Gespräche mit dem Finanzminister.

 

Reform bietet vier Modelle der Vertretung

Begrifflich wird aus der Sachwalterschaft nun die Erwachsenenvertretung, die konkret auf die Bedürfnisse der betroffenen Person zugeschnitten ist. Das Gesetz (1461 d.B.) bietet dabei vier mögliche Arten der Vertretung einer vertretungsbedürftigen volljährigen Person. Vorgesehen ist zunächst der gerichtliche Erwachsenenvertreter, der den Sachwalter ersetzt. Seine Befugnisse sollen aber auf bestimmte Vertretungshandlungen beschränkt werden und nicht pauschal für "alle Angelegenheiten" gelten. Die gerichtliche Bestellung des Erwachsenenvertreters ist nach den Intentionen des Entwurfs nur die ultima ratio, geht es doch darum, die Alternativen auszubauen.

Mit der gesetzlichen Erwachsenenvertretung übernimmt das Gesetz die schon bisher mögliche Vertretung durch nächste Angehörige. Diese soll aber nicht unmittelbar kraft Gesetzes eintreten, sondern nur dann bestehen, wenn sie im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) eingetragen wird. Da die gesetzliche Erwachsenenvertretung weitergehende Befugnisse als nach bisherigem Recht schafft, unterliegt sie nun einer gerichtlichen Kontrolle und muss spätestens nach drei Jahren erneuert werden. Neu ist hingegen die gewählte Erwachsenenvertretung, die einer volljährigen Person die Möglichkeit gibt, im Bedarfsfall selbst einen Vertreter zu bestimmen, der sofort für sie tätig werden soll. Auch diese Vertretungsbefugnis setzt eine Eintragung ins ÖZVV voraus und unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. Da sie aber auf der Willensbildung des Vertretenen beruht, ist sie auf unbestimmte Zeit eingerichtet.

Bei der Vorsorgevollmacht mit uneingeschränktem Wirkungsbereich schließlich knüpft das Gesetz an das geltende Recht an. Voraussetzung ist hier der Eintritt des "Vorsorgefalls" - des Verlusts der Entscheidungsfähigkeit - sowie die Eintragung im ÖZVV. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich dabei im Wesentlichen auf die Genehmigung von Entscheidungen bei medizinischen Behandlungen, soweit zwischen Vertreter und vertretener Person ein Dissens erkennbar wird, sowie auf den Fall einer dauerhaften Wohnortverlegung ins Ausland. Eingerichtet wird die Vorsorgevollmacht auf unbestimmte Zeit.

 

Abgeordnete sehen Paradigmenwechsel

Die Reform sei ein Paradigmenwechsel weg von der Bevormundung und hin zur Unterstützung, stellten Ulrike Königsberger-Ludwig (S) und Franz-Joseph Huainigg (V) übereinstimmend fest, denen die Abgeordneten Gisela Wurm (S) und Gertrude Aubauer (V) beipflichteten. Michaela Steinacker (V) sprach von einem Meilenstein in der Rechtsgeschichte Österreichs und zeigte sich zuversichtlich, dass der Justizminister nun auch für die entsprechende Finanzierung sorgen werde. SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim wiederum begrüßte ebenso wie Helene Jarmer (G) die in einem einstimmig angenommenen Abänderungsantrag vorgesehene Ausdehnung der Grundsätze der Reform auf das Heimaufenthaltsgesetz, wodurch nun auch eine Kontrolle von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen möglich werde. Auf ausdrücklich positives Echo stieß die Vorlage zudem bei den Abgeordneten Nikolaus Scherak (N), Christoph Hagen (T) und Harald Stefan (F).

 

Grüne zweifeln an finanzieller Absicherung der Reform

In der Sache sei das Gesetz gut, bestätigte Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser, der allerdings schwere Bedenken hinsichtlich der Finanzierung vorbrachte und aus diesem Grund aus dem Konsens ausscherte. Man habe die Kostenschätzungen offensichtlich an das angepasst, was mit dem Finanzminister verhandelt werden konnte, vermutete er und äußerte die Befürchtung, dass die nunmehr vorgesehenen 25 Mio. € nicht ausreichen werden. Skeptisch zeigte er sich auch über den Plan des Ressorts, mit den Rücklagen das Auslangen zu finden. Steinhauser forderte vielmehr die Regierung auf, ausreichende finanzielle Mittel zur Bedeckung des nach seinen Einschätzungen zu erwartenden Mehrbedarfs in der Höhe von rund 84 Mio.€ für die nächsten fünf Jahre zur Verfügung zu stellen, konnte sich aber mit einem entsprechenden Antrag nicht durchsetzen. Kein Gehör fand auch sein Vorschlag eines jährlichen Monitorings der Kostenentwicklung

 

Brandstetter will auf Rücklagen zurückgreifen

Justizminister Wolfgang Brandstetter nannte die Reform ein "Herzensanliegen" und betonte, man habe eine Lösung im Sinne der Menschlichkeit und der Betroffenen gefunden. Die Schätzung der Kosten sei schwierig, man könne aber von kostendämpfenden Effekten ausgehen, die allein schon dadurch entstehen, dass es in Zukunft weniger Vertretungen durch einen Sachwalter des bisherigen Typs und dafür mehr gewählte Erwachsenenvertretungen durch Angehörige geben werde. Die Finanzierung des Mehraufwandes sei jedenfalls gesichert, zumal das Ressort auf seine Rücklagen zurückgreifen könne. Eine entsprechende Zusage des Finanzministers gebe es bereits, so Justizminister Brandstetter.


19.03.2017

 

LINK
2. Erwachsenenschutz-Gesetz – 2. ErwSchG (1461 d.B.)
Justizminister Wolfgang Brandstetter





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