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MAK zeigt "SHUNGA. Erotische Kunst aus Japan"

MAK zeigt "SHUNGA. Erotische Kunst aus Japan"
Kitagawa Utamaro (1753–1806) Ein junger Besucher, 1799 Aus dem Album Negai no itoguchi [Erwachen der Begierde] Farbholzschnitt © Leopold Privatsammlung, Wien; Foto: MAK/Georg Mayer

Wien (OTS) - Mit ihrem scheinbar unbekümmerten Umgang mit Nacktheit und Sexualität vermitteln ostasiatische Shunga (Frühlingsbilder) eine freiere Sexualmoral, als sie uns in Europa anerzogen wurde. Die MAK-Ausstellung "SHUNGA. Erotische Kunst aus Japan" zeigt die künstlerische Qualität der explizit erotischen Farbholzschnitte auf, die trotz langen Verbots durch die japanische Regierung zum Massenphänomen avancierten. Einzelblätter, Alben und Bücher von namhaften Meistern wie Suzuki Harunobu, Katsushika Hokusai oder Kitagawa Utamaro, großteils Leihgaben aus der Leopold Privatsammlung, geben im MAK einen repräsentativen Einblick in diese oft tabuisierte Facette der japanischen Kunstgeschichte. Zeitgenössische Aktfotografien von Nobuyoshi Araki spannen den Bogen bis in die Gegenwart.

Die MAK-Sammlung japanischer Farbholzschnitte zählt mit rund 4 200 Blättern zu den bedeutenden Ukiyo-e-Sammlungen in Europa. Ukiyo-e (Bilder der fließenden Welt), denen die Shunga zuzuordnen sind, illustrieren urbane Vergnügungen sowie bürgerliche Alltagsphänomene rund um die Theater- und Vergnügungsviertel von Edo, dem heutigen Tokio. Die explizite Darstellung von Sexualität in den Shunga versperrte den erotischen Drucken lange Zeit den Eingang in europäische Sammlungen. Auch die MAK-Sammlung beherbergt nur eine Bildrolle eines anonymen Meisters aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhundert – das älteste in der MAK-Ausstellung gezeigte Objekt.

Der formale Umgang mit nackten Körpern und die zum Teil vielschichtigen Anordnungen von Kimonofaltungen heben Shunga deutlich von naturalistischen Darstellungen des Liebesspiels ab. Charakteristisch sind die anatomische Detailgenauigkeit, manchmal extreme Körperstellungen und übergroß dargestellte Genitalien. Oft zeigen Shunga auch humorvolle Szenen, wie beispielsweise ein kleines Mädchen, das durchs Schlüsselloch ein Liebespaar beobachtet und ruft:
"Ich sag's der Mama".

Ein Labyrinth aus Panelen leitet die BesucherInnen durch die chronologisch gegliederte Ausstellung im MAK DESIGN LABOR. Den Auftakt zum Parcours bilden frühe Shunga-Serien aus dem 17. Jahrhundert, die dem Zyklus der zwölf Monate folgen und – mit einem Titelblatt – dreizehn zusammengehörige Drucke ergeben. Suzuki Harunobu (ca. 1725–1770), einer der wichtigsten Entwerfer von Shunga, entwickelte die anfangs in schwarz-weiß umgesetzten Holzschnitte zu Vielfarbendrucken weiter und sprach zum Beispiel mit seinen Parabeln zwischen chinesischer Dichtkunst und japanischer Erotik unter anderem die reiche und gebildete BürgerInnenschicht Edos an.

Fast alle bekannten Ukiyo-e-Künstler entwarfen auch erotische Farbholzschnitte, wodurch sich die künstlerische Qualität von Shunga erklärt. Kitagawa Utamaro (1753–1806) wandelte die ursprünglich verträumten erotischen Szenen Harunobus zu eindeutigeren Darstellungen. Er verleiht dem Genre mehr Selbstverständlichkeit und zeigt auch halberotische häusliche Szenen wie die Schönheit (Bijin) bei der Körperpflege. Die heute am Kunstmarkt kaum noch erhältlichen Alben Utamaros zählen zu den begehrtesten Werken der japanischen Kunst. Seine Serie "Negai no itoguchi [Erwachen der Begierde]" (1799) ist im MAK vollständig zu sehen.

Erotische Phantasien und die Welt der Mythologie und der Geister verknüpft der – nicht nur durch seine Serie "36 Ansichten des Berges Fuji" weltberühmte – Katsushika Hokusai (1760–1849). Während der Meiji-Ära (1868–1912) variiert die Qualität der Shunga. Im Zentrum steht nicht länger die Schönheit (Bijin), vielmehr geht es um erotische Motive wie die junge Studentin oder die selbstbewusste Frau. Durch die neuen technischen Möglichkeiten der Fotografie verlor der Farbholzschnitt als Massenmedium ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Der Künstler Hashiguchi Goyo (1880–1921) ließ die Tradition der Ukiyo-e als einer der ersten in "neuen Drucken" (Shin hanga) wieder aufleben und schuf ein modernes, selbstbewusstes Frauenbild, das an die Blätter Utamaros erinnert.

Die MAK-Ausstellung schließt mit ausgewählten Fotografien des japanischen Künstlers Nobuyoshi Araki (geb. 1940), der in mehreren Aktfotografie-Serien auf Shunga aus der Edo-Periode Bezug nimmt.

Der Großteil der in "SHUNGA. Erotische Kunst aus Japan" gezeigten Werke stammt aus der herausragenden Ukiyo-e Sammlung Rudolf Leopolds (1925–2010), die sich heute im Eigentum seines Sohnes Diethard Leopold befindet, der die Sammlung stetig erweitert. Die tabulose Darstellung des Geschlechts in den Farbholzschnitten beeindruckte in Europa und wurde erst durch Egon Schiele in ähnlich direkter Form methodisch in ganzen Serien von Blättern umgesetzt. Die Holzschnitte sind ein konstitutiver Bestandteil der Sammlung Rudolf Leopolds, der um den Schiele-Kern eine Gesamtschau von Wien um 1900 zusammentrug. Ein Teil der umfassenden Shunga-Sammlung war in der von Diethard Leopold kuratierten Japan-Ausstellung "Fragilität des Daseins" im Leopold Museum im Jahr 2012/2013 zu sehen.

Während Shunga zur Zeit ihrer Entstehung wahrscheinlich als Pornografie galten, steht heute die kunstgeschichtliche Bedeutung im Fokus. Im Ausstellungsbetrieb kamen erotische Farbholzschnitte bisher kaum vor, da die Grenzen zwischen erotischer Kunst und Pornografie oft verschwimmen. Das British Museum war mit seiner großangelegten Ausstellung "Shunga: sex and pleasure in Japanese art" im Jahr 2013 ein Vorreiter der Präsentation in Europa. In Japan selbst folgte 2015 die erste große Shunga-Ausstellung im Museum Eisei Bunko in Tokio.

 

Hinweis: Diese Ausstellung enthält explizit erotische Darstellungen; für Jugendliche und Heranwachsende ist "elterliche Ratgebung" empfohlen.

 

RAHMENPROGRAMM

Kuratorenführungen mit Johannes Wieninger
Do, 13.10.2016, 17:00 Uhr
Di, 8.11.2016, 18:00 Uhr

Regelmäßige Führungen
15.10.2016 – 11.12.2016
Sa, 14:00 Uhr
So, 15:00 Uhr

18.12.2016 – 29.1.2017
Sa, 15:00 Uhr

Jeden Dienstag bis einschließlich 24. Jänner 2017:
18:00 Uhr
Rundgang durch das MAK und Führung SHUNGA. Erotische Kunst aus Japan

MAK SENIORiNNEN
Mi, 19.10.2016, 15:00 Uhr
Ausstellungsführung, anschließend weiterführendes Gespräch im Restaurant Salonplafond im MAK
Gesamtpreis € 15

Information und Anmeldung unter: T +43 1 711 36-298, education@MAK.at

Kurzvorträge und Führungen zu SHUNGA. Erotische Kunst aus Japan Di, 24. Jänner 2017, 18:00–21:00 Uhr


Print On Demand

Kunstdrucke in höchster Qualität: Während der Ausstellung werden zahlreiche Blätter als Print on Demand angeboten. Mehr Informationen unter repro@MAK.at

 

SHUNGA. Erotische Kunst aus Japan
Eröffnung: Dienstag, 11. Oktober 2016, 18:30 Uhr
Ausstellungsort: MAK DESIGN LABOR, MAK, Stubenring 5, 1010 Wien
Ausstellungsdauer: 12. Oktober 2016 – 29. Januar 2017
Öffnungszeiten: Di 10:00–22:00 Uhr, Mi–So 10:00–18:00 Uhr,
Jeden Dienstag 18:00–22:00 Uhr Eintritt frei
Gastkurator: Diethard Leopold
Kurator: Johannes Wieninger, Kustode MAK-Sammlung Asien
Wissenschaftliche Beratung: Sepp Linhart



31. 08. 2016

 

LINK
MAK - Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst





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